Ebene der Gefühle, des Verhaltens und der Einstellungen

von: GEORGE M. RYNICK

Daniel Casriel deutete in seinem Buch, Wieder Entdeckung der Gefühle, dass es vier Stufen von Zorn gibt.

Er beschrieb die niedrigste Stufe als “intellektueller Zorn”: Der Zorn ist als Feindseligkeit gegenwärtig, aber der wütende Mensch ist sich keines großen Gefühls bewusst. Er wirkt sarkastisch und ätzend, aber er denkt er wäre geistreich.

Die nächste Stufe nannte er “Riddance Anger” (“Befreiungs- oder Hau-ab-Zorn”):
Etwas höher auf der Bewusstseinsebene, ist die Person in alten Verhaltensmustern und wechselnden Signalen gefangen: “Komm näher” und dann “Nicht so nah!”
Die doppelten Signale halten manche Beziehungen aufrecht, aber bewirken viel Verwirrung und schlechte Gefühle.

Dan nannte die dritte Stufe “Kill-Anger” (“mörderischer Zorn”):
Diese Wut kommt aus der Tiefe. Er sagt, es sei notwendig, dieser historischen Wut Luft zu machen, um Nähe und sichere Beziehungen zu erwerben. Es war die Stufe des Zorns, welcher er bei seinem Studium in Synanon begegnet ist und welche die Mauer der Gleichgültigkeit und Drogenabhängigkeit in der Behandlung eingerissen hat. “Angehende Wut, voll ausgedrückt, ist das Einzige, was die Abhängigkeit brechen kann” postulierte Casriel.

Er benannte seinen “New Identity Process” nach der vierten Stufe. “Identity Level” (“Identitätsebene”, “Identitätszorn”)
Die ersten beiden Stufen stellen ein Abwehr da. In der ersten Stufe zeigt man Symptome – die Symptome zeigen was in dem Menschen vorgeht. Die zweite Stufe ist, wenn die alten Verhaltensmuster die selben, schlechten Gefühle hervorrufen und die gleichen, alten und negativen Einstellungen über sich selbst und über die Welt bestätigen. Es ist die dritte Stufe, die mit dem Inneren in Berührung kommt, wo die alten negativen Einstellungen in einem enormen Vorrat historischer Wut, Angst und Schmerz fest verankert sind.

Jeden der vier Basisgefühle (Freude, Wut, Schmerz, Angst) kann man in Lichte diesen vier Ebene verstehen. Diese Stufen der Gefühle, des Verhaltens und der Einstellungen, fördern und verknüpfen Diagnose und Behandlung der Betroffenen sehr gut.

Auf der untersten Ebene haben nur wenige Beziehungen zu anderen Gruppen und Menschen Platz. Es findet eine aktive Verleugnung der Gefühle statt. Dieser Mensch ist unfähig zu fühlen und seine Symptome sind alles, was wir erleben können. Sein Zorn kommt als Feindseligkeit zum Vorschein, sein Schmerz zeigt uns ein Bild des Jammers, seine Angst fesselt ihn und seine Sorgen. Seine Freude überlebt lediglich und kommt als ein “zu schön um wahr zu sein” zum Ausdruck. Liebe ist offensichtlich nicht vorhanden.

Die nächste Stufe ist das “Holding-old patterns-Level” (“Halte an alten Verhaltensmustern fest”).
Man hat früh gelernt, dass sichere Beziehungen zum Überleben notwendig sind und man kann nicht erklären, warum man das tut, was man tut.
Diese Muster sind tief verankert. Alte negative Einstellungen betreffen uns selbst und andere Menschen. Wir sind gefesselt mit riesigen Bündeln von Erinnerungen an Schmerz, Wut und Angst. Die Gefühle sind realisierbar, aber sie sind nicht getrennt von den dysfunktionalen, dazugehörigen Einstellungen.

Wut wechselt sich mit Angst ab. “Geh weg von mir” ändert sich in “Verlass mich nicht”. “Komm näher” wechselt unerwartet und plötzlich in “Geh weg”.
Der Schmerz der zweiten Stufe ist immer “hoffnungsloser Schmerz” und die Angst ist immer “hilflose Angst”. Freude ist genauso dysfunktional, sie kommt als “verführerische Freude” zum Vorschein. In Deutschland nennt man das “Lust als Köder”. Es sind wieder nur sehr wenig Liebe oder positive Gefühle erkennbar.

In der vierten Stufe der Gefühle, des Verhaltens und der Einstellungen, ist der volle emotionale Körperausdruck das wichtigste Element der Bonding-Psychotherapie.
In dieser Stufe äußert sich Zorn als richtiger Wutausbruch. Dieser Wutausbruch ist gebündelt und befreiend. Egal wie viel Wut erlebt wird, sie wird von der Energie im Körper in einen offenen Schrei, in Laute begleitet von Wärme, aus dem Körper nach außen geleitet.

Ein Mittel um diese Energie zu entladen ist der “Temper- tantrum” (“Wutmatte”). Derjenige, der die Wut ausdrücken will, nutzt dafür eine Körper-Übung. Auf einer ausreichend dicken Matte, schlägt er auf dem Rücken liegend, abwechselnd mit der rechten und linken Faust und beiden ausgestreckten Beinen auf die Matte.
Während er dies tut, dreht er seinen Kopf von einer Seite auf die andere, öffnet seinen Mund und seinen Rachen und beginnt ein lautes, langgezogenes “AAAhhh” zu schreien (“singen”). Falls er historischen Zorn in sich hat, eingesperrte emotionale Wut aus vergangenen Erfahrungen, wird er diese bei der Übung zusammen mit seiner körperlichen Kraft entdecken und wird mit dieser Wut in Berührung kommen. Sein Ausdruck wird immer lauter werden und plötzlich findet er sich selbst und wird mehr Wut ausdrücken, als er jemals vorher auf einmal ausgedrückt hat.

Auf Grund frühester Erfahrungen des Zorns mit unseren verärgerten Eltern, erwarten wir alle Ablehnung und/oder Bestrafung, wenn wir unsere ganze innere Wut ausdrücken. Der Bonding-Partner sorgt für Schutz und die Erlaubnis, unseren vollen körperlichen und emotionalen Zorn auszudrücken. Ein- oder zwei mal, mit einer Atempause und der Vergewisserung, dass der Andere uns akzeptiert, können wir uns gewöhnlich genug Luft machen (Wut herauslassen), um uns wirklich gut zu fühlen. All der intensive Zorn wurde ausgedrückt und niemand wurde verletzt. Niemand hat und verlassen. Niemand hat uns abgelehnt, sogar im Gegenteil. Die Gruppenmitglieder berichteten danach: “Ich schrie meine Wut heraus und ich bekam Liebe zurück und wurde akzeptiert.”

Alten Einstellungen und alter Glaube über die Konsequenzen des Ausdrücken von Zorn, wurden bei diesem Erlebnis der Akzeptanz in Frage gestellt.
Die Gruppenmitglieder berichten ofters “bedingungslose Liebe” erlebt zu haben.

Nun kommt der zweite Teil der Übung. Es ist nun an der Zeit, ein neues Erlebnis zu machen: Die Person, mit der “jetzt” positiven Einstellung, stellt sich gerade hin, die Schultern zurück und die Hände in die Hüfte. Sie schaut den Gruppenmitgliedern nacheinander tief in die Augen und bestätigt mit einem kurzen Satz, wie z.B. “meine Wut ist gut”, ihren Zorn. Bei jedem weiteren Gruppenmitglied wird sie ermutigt, mehr Kraft in ihre Stimme zu legen, bis sie die Einstellung fühlt, die sie gerade ausgedrückt hat. Sie wird dann beide Seiten ihres Gehirns, die verbale Intelligenz und die emotionale Intelligenz, nutzen.Das ist der Punkt, an dem die Menschen berichten: “Ich glaube jetzt, was ich sage. Es ist wahr, ich fühle es, ich weiß es!” Abhängig von der Gruppengröße, muss sie den Satz vielleicht zwei- oder drei Runden in der Gruppe wiederholen, um zu diesem Erlebnis zu gelangen.

Wenn man seine emotionale Wut-Kraft nutzt, um sich selbst zu etwas berechtigt zu fühlen, hat man die vierte Stufe erreicht, welche wir “Idenditätslevel” nennen. Hier nutzen wir die Wut ganz natürlich zur Berechtigung (berechtigt zu sein). “Ich nutze meine Wut für mich (nicht gegen dich).” Es gibt keine Aggressionen, vielmehr kräftige Berechtigung. Wut ist keine Gewalt, Wut ist ein Gefühl. Gewalt ist ein gelerntes Verhalten. In den beiden höchsten Stufen beinhaltet Wut keine Feindseligkeit. In diesen Stufen ist die Wut eine effektive Berechtigung zu neuen Einstellungen und sie ist effektive Kraft, alte und negative Einstellungen über sich selbst, über die Anderen und über die Gesellschaft in Frage zu stellen. Es ist nun möglich, frühere, negative Einstellungen zu ersetzen, egal wie lange sie für “die Wahrheit” gehalten wurden.

Wir entdecken, “ich bin kein schlechter Mensch, ich bin ein guter Mensch. Meine Gefühle sind nicht gefährlich oder böse. Ich bin liebenswert mit all meinen Gefühlen. Ich bin gut genug, so wie ich bin. Ich kann alte, schädliche oder selbstzerstörerische Verhaltensweisen ändern. Ich kann zu dem Menschen werden, zu dem ich geboren bin.” Positive Veränderungen sind für uns möglich geworden.

Der volle körperliche und emotionale Ausdruck befähigt jeden Menschen, eingesperrte Gefühle, welche uns in der Vergangenheit so viele Probleme bereitet haben, zu befreien. Es befähigt ebenfalls jeden Menschen, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, kreative Wandlungen zu machen. Er kann vorhandene Beziehungen verbessern und er kann alte Freundschaften pflegen und neue Freundschaften gründen.

Ebenen:
Zorn
Schmerz
Angst
Freude

Stufe 4:

Identitätsebene

 

sich berechtigt fühlen, sich aus eigener Kraft zum Positiven hin zu ändern genügend Kraft und genügend Antrieb zu positivem Denken und Handeln

genügend Kraft, diese "Notfall- energie" für sich selbst zu nutzen.

 

Positiv und lustvoll leben.

 

Stufe 3:

Ausdruck der vollen emotionalen Körperkraft

gesammelte Wut in einem "Wut-ausbruch" freisetzen und für sich selbst nutzen eigene Qualen in einem "Todes- kampf" ausdrücken und frei lassen - sich gute Gefühle erlauben intensive Angst ausdrücken und freilassen und sich als positive Kraft zu eigen machen ausgedrückte Freude und Erregung als eigenes Recht anerkennen und mit Anderen teilen
Pathologische Einstellungen, die den vollen emotionalen Körperausdruck verhindern:

· "Wenn ich meine emotionale Kontrolle verliere, werde ich verrückt."
· "Wenn ich einen Wutausbruch bekomme, werde ich jemanden umbringen oder ich werde selbst getötet."
· "Falls ich meinen ganzen Schmerz spüre, wird das eine endlose Folter und Qual sein."
· "Wenn ich meine Gefühle offen zeige, wird mich niemand mehr lieben."
· "Wenn ich dir dieses Gefühl offen zeige, werde ich aufhören zu existieren."

(zusätzlich alle anderen negativen, kulturbedingten Einstellungen über offene Gefühle)

Stufe 2:

Festhalten an den alten negativen Einstellungen

Ablehnenden Zorn , wechselnd mit einer klamernden Angst

hoffnungsloser Schmerz

 

hilflose Angst

 

verführerische, manipulierende Freude
Alle vier Gefühle auf dieser Ebene sind fest mit alten Verhaltensmustern verankert.

Stufe 1:

Verleugnen aller Gefühle

Feindseligkeit Elend, Jammer Ängstlichkeit gespielte Nettigkeit
Auf dieser Ebene sind alle Gefühle gespielt. Echte Gefühle werden sowohl nach außen, als auch gegenüber sich selbst verleugnet.
Der Mensch verschließt sich auf dieser Ebene mit der Einstellung: "Wenn ich emotionale Hilfe annehme, bin ich völlig wertlos."
Wer möchte sich das schon eingestehen?

Bonding Psychotherapie
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