Vortrag zur Einführung in die Casriel-Körperpsychotherapie

© von Jürg Dennler

Liebe Interessierte und Anwesende

Ich möchte Sie herzlich begrüssen zu diesem Vortragsabend, an dem ich Ihnen etwas über die Casriel-Körperpsychotherapie und über Bonding erzählen möchte. Ich werde das anhand der konkret gestellten Fragen tun, nämlich im Bereich Bindung-Beziehung-Abhängigkeit, mit der Frage: Warum ich glaube, dass wir unsere Alltagsbeziehungen verbessern können. In einem 2. Teil dann gehe ich auf das andere Thema ein, etwas zu sogenannt psychosomatischen Beschwer-den zu sagen, und auch, warum ich glaube, dass gerade die Körperpsychotherapiemethode, die ich Ihnen vorstellen werde, dabei besonders hilfreich sein soll.

Ich selbst habe nach einem Psychologiestudium an der Universität Zürich eine körperpsychotherapeutische Ausbildung am Institut GFK gemacht, wobei G für Gesprächspsychotherapie, F für Focusing und K für Körperpsychotherapie steht. 1989 begann ich dann in der Klinik für Suchtkranke Im Hasel in Gontenschwil (AG) zu arbeiten, und habe kurz danach in Deutschland die Casriel-Körperpsychotherapie kennengelernt. Nach viel Selbsterfahrung und angefangener Ausbildung begann ich 1992 in der Klinik Im Hasel mit dieser Methode zu arbeiten. Seit da führe ich regelmässig 3 Mal pro Jahr einen Workshop über 12 halbtägige Sitzungen durch. Im klinisch-stationären Rahmen wird die Casriel-Körperpsychotherapie in der Schweiz nur noch in der Therapeutischen Gemeinschaft Smaragd in Reinach – Basel angewendet. Seit 1998 bin ich in eigener Praxis in Aarau tätig. Seit da biete ich auch “auf dem freien Markt” WS und eine monat-lich stattfindende Gruppe an. Ambulant arbeitet zudem in der Schweiz seit etwa 20 Jahren eine Therapeutin in Genf mit dieser Methode. In Deutschland wird diese Methode an 7-10 psychosomatischen Kliniken angewendet. Auch bestehen 2 Zentren mit insgesamt mehr als 500 jährlichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, die regelmässig Casriel-Körperpsychotherapieworkshops anbieten.
Es werden zur Zeit erste wissenschaftliche Untersuchungen über die Wirksamkeit der Teilnahme an solchen Workshops gemacht. Ich kann Ihnen am Schluss dieses Vortrages erste Ergebnisse einer Pilotstudie zeigen.

Es gibt eine gewisse Schwierigkeit bei so einem Vortrag: 1. Körperpsychotherapie kann kaum mit Worten vermittelt werden und deshalb werden viele Beispiele und Verstehenshilfen benötigt, was einen Vortrag etwas aufbläst 2. Bei der Vorbereitung wusste ich nicht recht, ob Sie als Zuhörer und Zuhörerin eher an erfahrungsorientierten Schilderungen oder an wissenschaftlichen Fakten interessiert sind.
Ich bemühe mich diesen möglichen Erwartungen etwas zu entsprechen.

Mein Anliegen ist es, Ihnen etwas von den Möglichkeiten, die diese spezifische Körperpsycho-therapie bietet, aufzuzeigen. Ich habe in der Ausschreibung dieses Vortrages deshalb auch ganz konkrete, alltagsnahe Fragestellungen gewählt. Eine Körperpsychotherapie – und das ‚Psycho’ ist mir dabei ein wichtiger Teil – soll etwas mit dem konkreten Alltag zu tun haben. Es gehört m.E. zu den Bedingungen unseres Lebensstils in der westlichen Kultur, dass wir mit unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu unserer Körperlichkeit schlecht zu Rande kommen. Ich glaube, wir leben in einer Kultur der Abhängigkeit, in der viel Verwirrung darüber besteht, was wir selber beeinflussen können und was nicht. Was wir gut lernen in unserer Kultur, ist, auf Dinge und Menschen um uns herum, d.h. ausserhalb von uns, zu schauen und für sie dazusein. Nach diesem Modell erwarten wir meist auch, dass uns Gutes nicht durch Aktivität von uns selbst geschieht, sondern dass es von aussen an uns herantrete. Wo und wie können wir also zu unseren Gunsten aktiv werden, ist zwar nicht die einzige, aber eine ganz wichtige Frage, wenn Psychotherapie weiterhelfen soll.

Vielleicht wollen Sie zuerst wissen, was mit dem Bonding und der Casriel-Körperpsychotherapie gemeint ist. Ich erkläre Ihnen das zuerst in technischer Hinsicht (das wird Sie vermutlich etwas irritieren), und dann versuche ich mit einigen Erläuterungen das Ganze plausibel werden zu lassen. Dan Casriel – er ist 1983 gestorben – war Psychiater und Psychoanalytiker in New York. Er entwickelte diese Methode aufgrund seiner Erfahrungen in der psychotherapeutischen Arbeit und auch durch Zufälle. Einer dieser Zufälle werde ich ihnen schildern. Zuerst aber möchte ich Ihnen erzählen, was der Stand des Wissens war, bis zu jener Situation, wo das Bonding sozusa-gen entdeckt wurde: Bereits erlebt hatte Casriel, dass Menschen, wenn sie stark von Gefühlen betroffen sind, diese lautstark äussern – z.B. bei einer heftigen Wut oder einem starken Schmerz. Es war ihnen eine Hilfe in der Therapie, wenn sie einerseits diese Gefühle extra, also mit Absicht laut ausdrückten und wenn sie andererseits während des Ausdrucks von solchen Gefühlen, aber auch danach, die unterstützende körperliche Nähe von anderen Menschen erhielten. Haben Sie auch schon einmal jemanden, der in einer tiefen Trauer ist, in die Arme genommen? Das ist Bonding. Zwar noch nicht als Methode oder Übung wie wir sie einsetzen. Aber das Wesentliche ist darin enthalten. Wer starke Gefühle erlebt, gibt ein Stück von seinem Alltagsfunktionieren auf, sinkt in sich zusammen oder gerät “ausser sich”, wenn es sich z.B. um Wut handelt.
(Als Bsp. für ganz körperliche Wut: Fussballer auf dem Fussballplatz, wenn der eine Kamerad den andern körperlich beschwichtigt).
Mit jemandem solche Gefühle teilen, heisst dabei sein und eine schützende und stützende Umge-bung anzubieten. Wir wissen das automatisch, es ist der gesunde Menschenverstand, der in uns angelegt ist, dass körperliche Nähe und körperlicher Kontakt in einem solchen Moment der emotionalen Öffnung eine unterstützende Wirkung hat und gut tut. Man sieht das sehr deutlich auch in einer Mutter-Kind-Beziehung. Ein spielendes Kind stürzt, es tut weh am Knie oder es erschrickt, es beginnt zu schreien. Die Mutter eilt herbei, nimmt das Kind zu sich auf den Arm und das Kind drückt seinen Schmerz aus. Dabei passiert etwas, was wir meist nicht wahrnehmen, das dem Kind fast ausschliesslich über den Körperkontakt kommuniziert wird, nämlich “dass die Welt wieder in Ordnung ist”. Das Kind beruhigt sich wieder, schaut von Mutters Schulter auf, schaut wieder in die Welt hinaus, lächelt vielleicht und will wieder weiter spielen. Auch das ist Bonding. Es ist die körperliche Nähe, die hilft, mit den starken Gefühlen zurecht zu kommen. Das körperliche Erleben nach dem Weinen und Schreien ist ein entlastetes, manchmal auch ein glückliches, welches das Kind antreibt, wieder zu seinen Spielkameraden zurückzukehren. Ganz nebenbei kann hier festgehalten werden, dass die Forschung heute soweit ist zu belegen, dass es keine Handlung oder Aktion, also auch keine Motivation, ohne die treibende Kraft von dem, was wir Gefühle nennen, gibt (Ciompi, 1997). Das was uns lebendig macht, was uns Kraft und Vitali-tät gibt, sind unsere Gefühle.
Wir haben damit den einen Aspekt von dem was Bonding heisst, deutlich gemacht: Bonding ist die Hilfe, die einer Person gegeben werden kann, wenn sie starke Gefühle erlebt. Ich weiss, Sie haben sicher Beispiele im Kopf, die dem was ich eben sagte zu widersprechen scheinen: “Komm mir nich zu nah” ist ein häufiger Ausdruck im Zusammenhang mit starken Gefühlen: Das zeigt aber bloss auf, für wie gefährlich wir manchmal Gefühle halten. In der Therapie können wir lernen, Gefühle, die zur Distanzierung von anderen Menschen gebraucht werden, einzusetzen, ohne gleichzeitig die Beziehung zu gefährden.
Nun also zurück zum Zufall den Dan Casriel erlebt hat: Ich lasse ihn auch gleich selber sprechen und zitiere aus der Abschrift eines (schlecht) übersetzten Vortrages, den er 1979 gehalten hat: (S.54-56)Sitation: während eines Workshops.

“Eine herrliche, attraktive Frau sagte: ‘Dan, Du hast mir wirklich geholfen. Lass Dich umarmen.’ Ich sagte: ‘ich bin o.k.’. Sie sagte: ‘Gut, lass Dich umarmen.’ Ich sagte: ‘Es geht mir wirklich gut!’ Sie sagte: ‘Nicht für Dich, sondern für mich.’ Ich sagte: ‘Was meinst Du mit, für Dich?’ Sie sagte: ‘Ich werde es geniessen, dich in die Arme zu nehmen.’ Ich sagte: ‘Du geniesst es, mich zu umarmen?’ Sie sagte: ‘Du bist krank!’ Und dann warf sie mich auf die Matte und sie sprang auf mich drauf, was damals nicht von einem erwartet wurde.
Das erste, was ich machte war, dass ich auf die Türe blickte, um sicherzugehen, dass nicht die Amerikanische Medizinische Psychiater-Gesellschaft hereinkam, um mir die Lizenz abzuneh-men. Dann schaute ich noch, um sicherzugehen, dass meine Mutter nicht reinkommen würde und sagen, ‘so, das tust Du also für Deinen Lebensunterhalt.’ Dann dachte ich, was werden bloss all diese Patienten denken. Sie werden auf diese verrückte Frau schauen, die auf ihrem Psychiater liegt und denken, dass auch er spinnt. Sie versuchte mich wirklich zu umarmen und ganz nahe zu kommen. Dann fing ich an zu spüren, wie da etwas in meinem Bauch aufstieg, wodurch ich sehr überrascht wurde. Ich wusste genug über meinen Prozess, um zu wissen, dass das Schmerz war. Ich vertraute genügend meinem Prozess, um es herauszuschreien. Als ich anfing, diesen laut hinauszuschreien, sagte ich mir: ‘Was zum Teufel machst Du?, dies ist Blödsinnig, dies ist lächerlich, das macht man nicht. Was werden Deine Patienten denken, wenn Du versuchst, ihnen diese Komödie vorzuspielen. Du solltest jetzt damit aufhören, bevor es Dir aus den Händen gleitet.’ Ich erinnere mich, dass da noch ein anderer Teil von mir war, der einfach nicht auf meine Gedanken hören wollte und ich machte einfach weiter mit meinem Gefühl. Ich hörte, wie mein Schrei immer lauter wurde. Plötzlich erlebte ich, an mir selbst, wie ich in die Luft geworfen und aufgefangen wurde. Ich erlebte, wie ich selbst lachte, gurrte und es genoss. Ich hörte also, wie ich, dieser Mann, lachte und sichtlich Freude hatte. Ganz spontan, ohne zu überlegen, hörte ich mich selbst hinausschreien ‘Onkel Wooie, Onkel Wooie’. So nannte ich meinen Onkel Louie, als ich zwei oder drei Jahre alt war, ein Mann, dem ich mich immer nahe fühlte und den ich sogar liebte, obwohl ich ihn kaum sah und ich verstand eigentlich nie, warum ich ihn so sehr liebte. Ich erlebte in diesem Moment, wie ich hochgeworfen und aufgefangen wurde und wir lachten und hatten Freude aneinander. Dann wurde meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf diese Frau gelenkt, die mich noch immer umarmte. Zum ersten Mal in dreiundvierzig Jahren hielt ich jemanden, ich umarmte sie und genoss das sehr. Wie ich das tat, kann ich mich erinnern, hörte ich gleichzeitig sehr viel Schmerz herauskommen und eine Menge Gedanken durchfluteten mein Gehirn. Ich verstand nicht gleich alles, was geschah oder was geschehen war. Ich fing aber an zu verstehen, dass das, was ich erlebt hatte, Liebe war. Nicht Liebe, wie ich sie damals verstand, wie ich sie für meinen Bruder empfand, das war ein Gefühl von Verpflichtung, Zunei-gung und Dankbarkeit. Dieses Erlebnis mir dieser Frau und meinem ‘Onkel Wooie’ war anders. Wir haben einander wirklich genossen und niemand schuldete dem anderen irgendetwas.”

Was Sie hier sich bildlich vorstellen können, ist unsere Bonding-Übung. 2 Teilnehmer oder Teilnehmerinnen liegen auf einer Matte aufeinander, so, dass die eine Person sich ganz ihrem inneren Erleben überlassen kann, während die andere Person präsent ist, ohne vielmehr zu tun zu haben, als wie eine Art Teddybär da zu sein. Bonding wird im deutschen Sprachraum als ‚körper-liche Nähe und emotionale Offenheit’ übersetzt, was eben in krassem Gegensatz zu einer häufigen Reaktion steht, bei Nähe sich emotional zu verschliessen, zumindest was die “gefährlichen” Emotionen betrifft. Die Bonding-Übung ist in ihrer Zielsetzung darauf angelegt, eine körperliche Verankerung einer Offenheit gegenüber einem Partner oder einer Partnerin zu erleben. Wenn wir das, was uns bislang hinderte, anderen Menschen nahe zu sein, nach und nach hinter uns lassen, können wir uns mehr und mehr auf das nährende Erleben der Nähe einlassen.
Wir haben jetzt natürlich ein grosses Problem: da liegen zwei Menschen auf einer Matte und freuen sich, dass sie da sind, und dass sie sich in diesem Moment haben und einander nahe sind. Wir ahnen, dass hier eine grosse Intimität geworden ist, aus dem Moment heraus, und aus dem einzigen Grund, weil zwei Menschen die Bereitschaft aufgebracht haben, sich auf die Gefühle des anderen wirklich einzulassen, d.h. die Gefühle geschehen zu lassen und da zu bleiben. Wir haben oft Mühe mit solchen Intimitäten. Wir sagen dann, wir wollen diese Intimität nicht mit jedermann teilen. Wir fühlen uns verletzlich und wir schämen uns für unsere Gefühle. Oft glauben wir, wir seien für andere Menschen eine Zumutung, wenn wir uns unseren Gefühlen hinge-ben. Wir glauben kein Recht zu haben, gewisse Gefühle zu spüren. Es gelingt uns oft auch nicht, diese in unseren Alltag einzuordnen, so dass wir dann mit diesen angeblich irrationalen Gefühlen dastehen und uns nichts anderes bleibt, als diese zu unterdrücken und sie nicht mehr wahrneh-men. Casriel hat in diesem Zusammenhang immer wieder betont, dass wir nicht verantwortlich für unsere Gefühle sind, d.h. dass wir sie haben, sondern wir sind verantwortlich für unsere Handlungen, d.h. wie wir uns mit diesen Gefühlen verhalten.
Unsere Kultur lehrt uns, dass, wenn zwei Menschen so aufeinander liegen, – das nennen wir eben die Bonding-Übung – das etwas mit Sex zu tun haben muss. Beim Bonding, so wie wir es verste-hen, geschieht kein Sex. Körperliche Nähe und Sex werden oft als zwei sich bedingende Hand-lungen gesehen, was wie jeder Mann und jede Frau eigentlich weiss, nicht der Fall ist. Etwas plakativ ausgedrückt ist es meist so, dass Männer Nähe kaum aushalten und körperliche Nähe nur zulassen, um Sex zu haben. Frauen hingegen vermissen meist ein Teilen von Nähe und geben Sex, um etwas von dieser körperlichen Nähe zu erhalten, in der sie auch emotionale Öffnung suchen. Das ist so eingespielt in den Köpfen der Menschen, dass viele meinen, das sei so normal und unveränderlich. Ich habe in der Klinik mit vielen Frauen gearbeitet, und für viele von ihnen war es wie eine Offenbarung, dass sie endlich einem Mann nahe sein konnten, ohne gleich mit Sex zu bezahlen und dass sie lernen konnte “Nein” zu sagen, wo sie sich bisher nicht getraut hatten, “Nein” zu sagen.
Zurück zum Bonding. Diese zwei Menschen kommen sich in einem Moment körperlich und emotional nahe und gehen im nächsten wieder auseinander. Nicht weil das unverbindlich ist, sondern weil sie in dem Moment etwas begreifen, was mit unserer inneren Freiheit und unserer Natur zu tun hat. Was Casriel hier betont hat, ist, dass Nähe – ungleich dem, was wir im Normal-fall unter einer Liebesbeziehung verstehen – dass Nähe also etwas für den Moment gültiges hat und niemanden für die Zukunft verpflichtet. Seine Hauptthese ist, dass im Menschen ein norma-les biologisches Bedürfnis nach Nähe angelegt ist. Etwas was wir täglich brauchen. Fehlt ein entscheidendes Mass an Nähe in unserem Leben, trocknen wir psychisch aus und wir fühlen uns schlecht. Viele werden krank. Viele Erwachsene leben mit so einer inneren Haltung, als ob der Preis für Nähe mit Diamanten aufzuwiegen wäre. Nähe ist so kostbar wie Wasser, sagte Casriel: Sie ist unser Lebensquell, den wir täglich brauchen. Nur die Blinden sehen die vielen Brunnen nicht und meinen sie würden in der Wüste leben.

Casriel hatte eine grosse Gabe, hinter den Alltagsnöten der Menschen, die darin verborgenen Konflikte aufzuspüren. Bald einmal war ihm klar, dass Kinder aufgrund ihres Bedürfnisses nach Zugehörigkeit und ihrer Abhängigkeit bereit sind, einen enorm hohen Preis für Nähe zu zahlen. Der Preis ist, dass sie darauf verzichten, ihre Bedürnisse zu spüren oder anzumelden oder Gefüh-le zu zeigen. Das zeigt sich dann in späteren Lebenshaltungen, die solche Menschen einnehmen:
z.B. “Wenn ich darauf verzichte, etwas von anderen zu wollen, werde ich auch nicht mehr zurückgewiesen und verletzt” / “Wenn ich keine Wut mehr zeige, werde ich nicht mehr geschla-gen” / “Wenn ich mich als graue Maus verhalte, passiert mir nichts” / “Wenn ich mich genügend anstrenge, wird doch noch jemand erkennen, dass ich wertvoll bin”.
Erwachsene finden oft aus diesen psychischen Schlingen, die sie aus der Kindheit mitnehmen, nicht heraus. Das Bedürfnis nach Bindung, nach Zugehörigkeit deckt sich häufig nicht mit dem Bedürfnis nach Nähe und emotionaler Offenheit.

Der Umgang mit Gefühlen fällt uns wirklich nicht leicht. Gefühle entstehen immer dann, wenn uns unser Organismus zeigen will, dass etwas nicht passt, nicht stimmt oder aber umgekehrt, uns gut tut. Das wirksamste Mittel, das uns zur Verfügung steht, um unsere inneren Bedürfnisse mit dem Angebot der äusseren Welt in Einklang zu bringen, sind unsere Gefühle. Oft erkennen wir sie aber gar nicht richtig. Casriel ging davon aus, dass es 5 Haupt- oder Basisgefühle gibt. Diese Basisgefühle sind Angst, Wut und Schmerz / Freude und Liebe. Alle anderen Gefühle werden als Mischformen angesehen. Meist in einer Art, die uns undeutliche oder mehrdeutige Signale geben und uns deshalb oft eher belasten als nutzen. Deshalb war es für Casriel ein grosses Anliegen, hinter den Stimmungen und undeutlichen Gefühlslagen die Basis-Gefühle zu finden. Ein Basisge-fühl erkennen wir daran, dass es uns motiviert zu handeln und auch daran, dass es eine körperli-che Entlastung gibt, wenn wir das Gefühl äussern.
Wut ermöglicht uns, uns abzugrenzen und auf die Hinterbeine zu stehen, dort wo wir nicht einverstanden sind – und wenn wir das äussern, geht’s uns schon ein bisschen besser. Schmerz ermöglicht uns wahrzunehmen, dass wir verletzt sind – und wenn wir das äussern, geht’s uns schon ein bisschen besser – geteiltes Leid ist halbes Leid. Angst ermöglicht uns wahrzunehmen, dass wir uns in Gefahr sehen – und wenn wir das äussern, fühlen wir uns meist schon etwas sicherer. Freude und Interesse ermöglicht uns wahrzunehmen, das uns etwas gut tut, dass wir dran bleiben wollen – und wenn wir’s äussern und teilen ist die Freude doppelt. Liebe als Gefühl ist da, wo wir die tiefste Quelle zwischenmenschlicher Erfüllung finden – und wenn wir’s äus-sern ist das wie eine innere Befreiung.
Was uns meist fehlt, ist die Kraft und das Wissen, unsere Gefühle in gute Bahnen zu lenken. Es sind für mich immer wieder schöne Momente in der Therapie, wenn Menschen beginnen ihre Gefühle zu entdecken, sie auszudrücken und ihre Freude und ihr Erstaunen zu teilen, dass sie das – ganz im Gegensatz zu ihrer mitgebrachten Überzeugung – stärkt statt schwächt und, dass sie sich damit wohler fühlen und schlussendlich an Klarheit und Orientierung gewonnen haben. Es wird plötzlich viel klarer, wieso man immer an demselben Punkt stehen oder stecken geblieben ist.
Es gibt nichts an der menschlichen Seele, das nicht von Gefühlen begleitet ist, hatte Casriel behauptet. Heute ist das nachzulesen und wissenschaftlich belegt, z.B. durch Luc Ciompi, emeri-tierter Professor und Psychiater, ehemaliger Leiter der Sozialpsychiatrischen Universitätsklinik in Bern, in seinem Buch “Die emotionalen Grundlagen des Denkens” (1997).

Wir kommen damit zum eigentlichen Kernpunkt der Casriel-Körperpsychotherapie mit Bonding: Unsere neurologischen Schaltungen sind auf dem Boden von emotionalen Erfahrungen aufge-baut, sagt Ciompi. Schon Freud, wie Sie alle wissen, hatte Kindheitserfahrungen als die wesentli-chen für die spätere erwachsene Beziehungsgestaltung angesehen. Er hat es aber vielen einfach gemacht, diese Erkenntnis in den Wind zu schlagen: Fälschlicherweise stellte Freud alles in einen sexuellen Zusammenhang. Heute – und vor 30 Jahren Casriel – ist man sich viel mehr bewusst, dass es nicht um sexuelle Wünsche des Kleinkindes geht, was dann so nachhaltig über die weite-re Entwicklung mitbestimmt, sondern um viel grundlegendere Bedürfnisse. Das Bedürfnis nach Nähe, nach Abgrenzung, nach Akzeptanz des eigenen Daseins, nach stimmigem Kontakt, nach Selbstbestimmung, nach Bestätigung – nicht nur für unsere Leistungen sondern für unser Sosein wie wir sind -, nach genügend Raum für unsere Eigenheiten, usw. Weil wir als Kinder schnell lernende Wesen sind, werden die frühen Erfahrungen über unser späteres Verhalten – wenn es im Zusammenhang mit solchen grundlegenden Bedürfnisse steht – bestimmend sein. Es ist so etwas wie die Grundmauer von unserem psychischen Haus, die im ersten Lebensjahr gebaut wird. Die neuere Bindungsforschung kann heute nachweisen, dass das Bindungsverhalten des Kleinkindes nach einem Jahr soweit festgelegt ist, dass es bis ins 16. Altersjahr – wenn keine einschneidenden Lebensereignisse aufgetreten sind – stabil reproduziert wird und nachgewiesen werden kann. Viel länger wird noch nicht geforscht, so dass keine wissenschaftlichen Nachweise des Einflusses von frühen Bindungsmustern auf Erwachsene vorliegen.(Dornes, 1998).
Es lohnt sich, die Ergebnisse der Bindungsforschung anzuschauen. Mit der Schilderung der Untersuchung von möglichen Bindungsstilen möchte ich Ihnen aufzeigen, dass die moderne Psychotherapieforschung Themen aufgreift, die wir mit der Casriel-Körperpsychotherapie beson-ders gut bearbeiten können.
Mit Bindungsstil wird die Art und Weise bezeichnet, wie ein Kind auf die primäre Bindungsper-son (meist die Mutter) reagiert, ob es sich im Kontakt sicher fühlt und aktiv ist (spielen, Welt erforschen, Bedürfnisse anmelden), aber auch wie die Abwesenheit der primären Bindungsperson verarbeitet wird und wie es sich beim Abschied und beim Wiedersehen verhält. Das Kriterium der Sicherheit im Kontakt zu primären Bindungspersonen kristallisiert sich in der modernen Psychotherapieforschung zum ganz dominanten Kriterium heraus, welches das spätere Bezie-hungsverhalten von Erwachsenen zu nahestehenden Personen beeinflusst. Die Sicherheit, die das Kind erfahren möchte, betrifft ein angemessenes und verlässliches Eingehen der primären Bin-dungsperson auf seine Bedürfnisse, wie sie weiter oben schon ausgeführt worden sind.
Die Forscher (besonders zu nennen sind das Paar Grossmann 1995 und Ainsworth 1978) haben die Kinder, die sie in aufwendigen Verfahren im Zusammensein mit ihren Müttern am Ende des ersten Lebensjahres untersucht haben, in vier Bindungsstile einteilen können:
Bindungsstil 1: Es sind das die sicher gebundenen Kinder: Sie zeigen eine angemessene Reaktion einerseits auf das Weggehen der Mutter, indem sie ihr Erkundungsverhalten einschränken und andererseits auf das Wiederkommen der Mutter, indem sie aktiv die Nähe zu ihr suchen. Diese Kinder beschäftigen sich gut selber, entwickeln mehr Ausdauer bei Problemlöseaufga-ben und haben ein breiter gefächertes Interesse. Als Erwachsene erleben diese Menschen kei-nen Gegensatz zwischen nahen Beziehungen und persönlicher Autonomie. 50-60 % der Normal-bevölkerung sind hier einzuteilen, in der psychosomatischen Klinik Grönenbach in Süddeutschland, in welcher mit diesem Modell geforscht wird, waren lediglich rund 20 % der PatientInnen in dieser Kategorie zu finden.
Bindungsstil 2: Es handelt sich um unsicher-vermeidend gebundene Kinder. Diese Kinder tun so, als ob ihnen ein Weggehen der primären Bindungsperson nichts anhaben würde und sie igno-rieren auch, wenn diese Person zurückkommt. Die Emotionen rund um Trennung und Wie-dervereinigung werden verleugnet, weil sie zuviel Unsicherheit auslösen würden. Als Er-wachsene tendieren diese Menschen dazu, Nähe zu anderen Personen zu vermeiden. In Unter-suchungen konnten 20-25 % der “Normalbevölkerung” (gemäss einer Untersuchung von Horowitz und dem als Vergleichsgruppe dienendem deutschem Klinikpersonal nachfolgend genannter Klinik) und 60 % von Patienten und Patientinnen in obgenannter Klinik in diese Kategorie eingeteilt werden.
Bindungsstil 3: Es sind dies die unsicher-ambivalent gebundenen Kinder: Die Trennung belastet das Kind sehr stark, so dass die Trennung kaum möglich erscheint. Bei der Rückkehr der Mutter waren sie zwar die aktiv Nähesuchenden, blieben aber innerlich traurig oder wütend. Als Erwachsene sind diese Menschen in ihrem persönlichen Wohlgefühl vom Zuspruch durch andere in hohem Masse angewiesen. 10-15 % der Normalbevölkerung ist hier einzuteilen, und ebenfalls etwas mehr als 15 % waren Patienten oder Patientinnen der psychosomatischen Klinik.
Bindungsstil 4: Es sind die chaotischen oder desorganisierten Kinder. Einerseits zeigen sie in einer wenig konsistenten, d.h. vorhersagbaren Art Verhaltensweisen von allen anderen Bin-dungsstilen, andererseits scheinen sie v.a. Angst vor der primären Bindungsperson entwickelt zu haben. Als Erwachsene sind diese Menschen vorsichtig und eher abweisend, mit wenig Vertrauen in andere Menschen ausgestattet. 10-20% der Normalbevölkerung und 5 % der Klinikpatien-ten und
-patientinnen gehören zu dieser Kategorie.

Dornes, einer der wichtigsten Forscher auf diesem Gebiet, warnt aber davor, diese Bindungsstile direkt mit psychischer oder physischer Krankheit in Verbindung zu bringen. Ihre Aussagekraft beschränkt sich auf das Alltagserleben, in welchem Mass es einer Person gelingen könnte, sich in einer für sie befriedigenden Art in der Welt zu bewegen. Bleiben unbefriedigende Bindungsstile übers Leben erhalten, so ist von einem erhöhten Risiko auszugehen, bei zusätzlichen Belastungs-faktoren markante Probleme zu entwickeln.
In der Klinik Grönenbach wurde in einer Pilotstudie die Veränderung der Bindungsstile von Patienten und Patientinnen vor und nach einer Sitzung mit der Casriel-Körperpsychotherapie gemessen: Ich zitiere: “Dabei verglich er – gemeint ist der Psychologe Mestel – die Veränderung der Bindungsstile eine Woche vor der ersten Sitzung und drei Stunden nach der Sitzung. Dabei zeigte sich eine Tendenz zum sicheren Bindungsstil und eine Tendenz zur Abnahme des ängst-lich vermeidenden Bindungsstil. Der Vergleich eine Woche danach zeigte eine klare Verminde-rung des ängstlich vermeidenden Bindungsstils” (Stauss, 1998, S.54) (60 % der Pat. gehören zum ängstlich vermeidenden Bindungsstil!).

Zusammenfassend: Die wesentlichen Lernschritte des Kindes geschehen auf der Basis seiner Sicherheit, sich auf seine körperlich gespürten Empfindungen und Gefühle verlassen zu können und auch darauf, dass die Umwelt (vorerst die primären Bindungspersonen) angemessen und konstant darauf reagiert.

Nun möchte ich noch genauer erläutern, wie die Casriel-Körperpsychotherapie wirkt.
Es gibt in der allgemeinen Psychologie ein psychisches Gesetz, das besagt, dass Erinnerungen immer auch abhängig sind vom aktuell erlebten Zusammenhang (Kontiguitätsprinzip). So ge-schah es mir vor kurzem, dass ich wiedereinmal eine Bergwanderung unternahm. Im Laufe dieser Wanderung kamen mir viele Wanderungen in den Sinn, die ich früher gemacht hatte, aber “ei-gentlich” schon längst wieder vergessen hatte. Wenn ich in ein thailändisches Gericht esse, kommt mir oft ein besonders gutes thailändisches Essen in den Sinn, das ich einmal in Bali gegessen hatte. Sie kennen sicher viele solcher vom aktuellen Zusammenhang, in dem sie gerade drin sind, abhängiger Erinnerungen.
Es ist also kein Zufall was Casriel damals auf der Matte passiert ist. Die körperliche Nähe hat seinen Organismus erinnert, dass es da schon einmal Erfahrungen mit körperlicher Nähe gegeben hat. Der gute Teil der Erinnerung war, dass es ja schon einmal in seinem Leben eine Situation gegeben hat, die er so genossen hatte als kleiner Bub, es hat ihm in Erinnerung gerufen, was er scheinbar schon lange nicht mehr so erlebt hatte: dass es etwas enorm Schönes und Wohltuendes und irgendwie Nährendes im Leben gegeben hat. Der schmerzhafte Teil der Erinnerung war, zu realisieren, wie lange schon er so ausgetrocknet durchs Leben ging und diesen Mangel nicht einmal als Schmerz wahrgenommen hatte und sich von solchen Erfahrungen, die ihm so gut tun, abgeschnitten hatte. Bonding ermöglicht wie unter einem Vergrösserungsglas stehend, die eige-nen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit unseren wichtigen Bezie-hungserlebnissen wahrzunehmen. Casriels Vision war, den Menschen zu ermöglichen, sich von alten Erfahrungen zu befreien und ein erfülltes, glücklicheres Leben zu führen.
Der Weg, den wir in der Casriel-Körperpsychotherapie beschreiten, ist, auf gezielte Art eine Neuorientierung unserer Wahrnehmungen zu erreichen. Diese betrifft sowohl unsere körperliche und emotionale Ebene wie auch den Bereich von Glaubenssätzen, die wir Einstellungen nennen. Ich möchte das nocheinmal verdeutlichen anhand von den 3 Faktoren, die uns in unserem Ringen um unsere psychische und oftmals auch körperliche Gesundheit in der Casriel-Körperpsychotherapie weiterbringen.

1. Das erste ist das Erleben der Nähe zu anderen Menschen im Bonding. So spektakulär manch-mal das Wiederauftauchen längst vergessener, im Unbewussten aber nach wie vor wirksamen Geschichten und Gefühle ist: Das eigentlich Wesentliche an der Arbeit ist etwas anderes. Beim Auftauchen und Ausdrücken alter, in uns sozusagen steckengebliebener Gefühle und Gedanken, ist die Person nun nicht alleine – das ist eine enorme Hilfe, weil uns gerade das als Kinder gefehlt hatte. Noch wichtiger ist aber, dass sich die Person nach dem Ausdruck dieser Gefühle besser fühlt und damit für den Kontakt mit dem Bonding-Partner offener ist. Ich mache ein Bsp. um das zu verdeutlichen: Nehmen Sie an, sie hätten zuhause ein kleines Fenster nie beachtet, vielleicht ist es im Estrich. Irgendwann sagt Ihnen jemand, man müsste doch ei-ne tolle Aussicht von diesem Fenster aus haben. Sie waren bisher nicht auf diese Idee gekom-men und wollen es sofort ausprobieren. Aber das Fenster ist so dick mit einer Kruste aus Dreck und Staub belegt, dass Sie einfach so nicht hinaussehen. Um zu dem zu kommen was sie eigentlich wollen, müssen sie diese alte Dreckkruste zuerst entfernen. Sie werden jetzt viel Aufwand haben, dieses Fenster zu putzen. Gelingt es ihnen endlich diese Kruste herunterzuho-len und das Fenster sauber zu bekommen, spüren Sie eine Freude und eine Befriedigung. Aber wenn sie jetzt nicht hinausschauen, hat 1. alles nichts genutzt und 2. wird die Scheibe bald wieder dreckig werden. Sie müssen jetzt hinausschauen. Das ist der Moment wo sie sehen, was sie eigentlich sehen wollten. Und zurück zum Bonding: Das ist der Moment, wo die Person neue, nährende, kräftigende und erfüllende Erfahrungen macht, welche die alten Erfah-rungen mildern. Endlich lernen wir, oder lernt unser Körper, wie es sich im Leben gut anfühlt. Wir erhalten Erlaubnis, uns entspannt und wohl zu fühlen und mehr Freude dabei zu empfin-den, jemandem Nahe zu sein.
Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel wie sich in der frühkindlichen Entwicklung Bonding auf die Sicherheit der Bindung auswirkt: Wenn ein Kleinkind an der Brust der Mutter saugt, kann viel verschiedenes passieren. Vielleicht lässt sich die Mutter oft durch irgend etwas ablenken und das Kind nimmt von der Brust der Mutter, doch wird es nebenbei auch noch Zweifel entwi-ckeln, ob es wohl in Ordnung sei, von der Brust zu saugen, oder ob es besser wäre es hätte seine Bedürfnisse nicht oder noch schlimmer, es gäbe ihn gar nicht. Aber wahrscheinlich ken-nen Sie die andere Situation besser: Das Kind saugt an der Brust und die Mutter freut sich darüber, und das Kind hat Freude, dass es Bedürfnisse hat und saugen kann und die Mutter fühlt sich als Mutter wohl und gebraucht, weil das Kind so vollmundig von ihr nimmt. Obwohl in beiden Beispielen physisch genährt wird, sind doch ganz andere psychische Botschaf-ten mit eingepackt. Das eine Kind wird ein unbestimmtes Unwohlsein mit ins Leben tragen, vielleicht mit einem Gefühl dass nie etwas wirklich passt, das alles so schwierig ist rund um die eigenen Bedürfnisse, das andere wird sich an der Erfüllung seiner Bedürfnisse freuen und das als das Normalste was es gibt ansehen. Natürlich sind die Abläufe viel komplexer als ich Sie Ihnen eben schildern konnte. Wichtig war mir zu zeigen, dass die ersten psychischen “Mit-teilungen”, die wir erhalten, über den Körperkontakt laufen. Die Arbeit im direkten Körper-kontakt im Bonding ermöglicht in einer Art, wie wir es in gesprochenen Therapien nicht kön-nen, neu zu lernen uns wohlzufühlen, um dann im Alltag uns daran zu erinnern, dass es ein besseres Befinden gibt als wir vielleicht gerade erleben und wir also entsprechende Schritte einleiten können, mit dem Ziel uns wieder etwas wohler zu fühlen.
Ein sehr eindrückliches Beispiel erlebte ich gerade im letzten Workshop, den ich in der Klinik im Hasel durchgeführt habe. Ein Teilnehmer berichtete nach einer dreitägigen Arbeitseinheit und einer 2-wöchigen Pause, er verspüre seit da die körperlichen Schmerzen, die er bis dahin täglich gespürt habe, und die kein Arzt habe erklären können, nicht mehr.

2. Ein zweiter Faktor sind die neuen positiven Lebenseinstellungen, die wir gezielt herausarbei-ten. Davon habe ich Ihnen noch kaum etwas gesagt. Wenn es uns nicht gelingt, in einer be-friedigenden Weise unser Leben oder Teile davon zu gestalten, so liegt das daran, dass wir keine Orientierung haben, wie anders wir uns verhalten könnten. Wie bereits erwähnt, lernen wir als Kinder bestimmte “Lebensregeln”, die uns als Erwachsene noch genauso gültig er-scheinen, wie damals, als wir Kinder waren. Es gelingt meist recht gut, in einem Gespräch mit den PsychotherapeutInnen solche Lebensregeln aufzuspüren. Eine neue Lebensregel – oder eben Einstellung – können wir dadurch aufbauen, indem wir die alte hinderliche Einstellung erkennen und uns dann einer neuen, besser passenden Einstellung zuwenden. Wir scheuen dabei keine Gefühle, die vielleicht auftauchen und auch nicht eine deutliche Sprache. Eine neue Einstellung kann, wenn es in der Kindheit vielleicht gefährlich schien Wut zu haben, so lauten: “ich habe Wut, ob’s euch passt oder nicht” oder “Scheisse, ich habe ein Recht auf meine Wut” oder auch noch “ich lasse mich nicht mehr bestrafen für meine Wut” usw. Was hier geschieht, ist, dass wir beginnen uns eine neue Lebenshaltung einzuprägen. Das laute Hi-nausschreien oder Behaupten von solchen Einstellungssätzen hilft uns, unsere ganze Kraft da-für einzusetzen. Es mag erstaunen, dass jemand sehr genau spürt ob er/sie eine für sich wirk-lich stimmige Einstellung gefunden hat oder nicht. Das Behaupten einer neuen, wirklich pas-senden Einstellung führt immer zu einem positiven Gefühl dazu, gepaart mit einem Erleben von Vitalität und Kraft. Geschieht dies nicht, wird die Arbeit weitergeführt bis wir den noch verborgenen “Hemmschuh” gefunden haben. Manchmal muss man sich natürlich auch mit vorläufigen Lösungen zufrieden geben. Diese Arbeit geschieht Schritt um Schritt, ist aber sehr effektiv, wenn man keine Wunder erwartet. Und selbstverständlich sind solche Einstellungssätze, die laut geäussert werden, keine Anleitung für eine neue Kommunikationsart im Alltag. Ausserhalb des Rahmens der Gruppe angewendet, wirken solche Einstellungssätze meist feindselig.

3. Der dritte Faktor ist die Gruppe, in der diese Arbeit geschieht. Haben wir vielleicht im Bon-ding eine neue Einstellung gefunden und begonnen uns diese einzuprägen und haben auch die damit verbundene psychische Stärkung erfahren, so bedeutet es nochmals einen Schritt wei-terzugehen, indem diese neue Einstellung, in einer speziell dafür vorgesehenen Gruppenrunde diese Einstellung jedem Gruppenmitglied von Angesicht zu Angesicht mitzuteilen und zu be-haupten. Hier geschieht das wirkliche Wachstum erst, weil wir lernen, die neuen Einstellun-gen nicht nur für uns sozusagen eigenbrötlerisch einzuimpfen oder einzureden, sondern diese anderen Menschen gegenüber auch wirklich zu vertreten. Das ist immer noch einmal ein gros-ser und oft auch mutiger Schritt. In der Gruppe haben wir zudem ein wunderbares Übungsfeld, nicht nur um neue Einstellungen auszuprobieren, sondern auch für neue Verhaltensweisen. Die Gruppe ist oft wie ein Spiegel für unsere eigenen wenig bewussten Verhaltensweisen und es gibt kaum einen einfacheren Weg als diesen Ort zu nutzen, Rückmeldungen über uns in einer anständigen Art zu erhalten.

Ich möchte mich nun dem Thema der psychosomatischen Beschwerden zuwenden. Sie alle haben den Begriff der psychosomatischen Krankheit schon gehört, haben gewisse deutliche oder undeut-liche Vorstellungen davon, was damit gemeint ist. Interessanterweise hören wir den Begriff von ‘psychosomatischer Gesundheit’ nie. Und erstaunlich ist, dass wir ein ganz seltsames Bild von psychosomatischer Krankheit haben: I.d.R. taucht der Begriff dann auf, wenn Ärzte und Patienten sich in der Hilflosigkeit begegnen, in der Ohnmacht, mit dem herkömmlichen medizinischen Verständnis nicht mehr weiterkommen, weder wirkliche Linderung noch Heilung anbieten können. Grob gesagt, wird in der Praxis zwischen psychosomatischen Krankheiten mit Organver-änderungen, sogenannte Psychosomatosen (Magengeschwür, Asthma, Dickdarmentzündung, Bluthochdruck, usw.) und solchen ohne Organveränderungen unterschieden. Bei letzteren handelt es sich um sogenannte funktionelle Störungen, d.h. es sind Störungen, die die normalen körperli-chen Funktionen betreffen, wie Schlaf, Atmung, Blutkreislauf, Herz, usw.. In den letzten Jahren sind von medizinischer Seite grosse Fortschritte bei der Behandlung der Krankheiten mit Organ-veränderungen gemacht worden, hingegen kann die Medizin bei funktionellen Störungen nach wie vor wenig Behandlung anbieten. Ich möchte meine Ausführungen v.a. im Hinblick auf diese funktionellen Störungen verstanden wissen, obwohl ich glaube, dass diese schliesslich für alle psychosomatischen Krankheiten Gültigkeit haben. Ich bleibe deshalb auch beim weitergefasten Begriff der psychosomatischen Krankheit.

Psychosomatische Krankheit macht den Arzt hilflos, weil er seinen Patienten und Patientinnen wenig anbieten kann. Im schlimmeren Fall kränkt das den Arzt, und wenn er das nicht erkennt, kann das dazu führen, dass er doch noch eine letzte Hoffnung darin sieht, den nächsten Spezialis-ten zu konsultieren, vielleicht eine neues Medikament auszuprobieren oder vielleicht doch opera-tiv einzugreifen…

Lieb und Pein berichten von einer Studie in Österreich: (S. 23./24). Durchschnittlich vergehen 6 1/2 Jahre und es erfolgen 73 Arztbesuche vor dem Besuch eines Psychotherapeuten.

Der Patient, der etwas hat und bei dem nichts fehlt und nichts gefunden wird, und bei dem damit auch nichts erklärt und nichts gemacht, nichts entfernt oder ersetzt werden kann, glaubt sich im falschen Film. Wer soll ihn denn sonst heilen, als der Arzt? Der Hinweis auf die “Psyche” erlebt der Patient, die Patientin als Beschuldigung, weil sie dadurch hören, sie seien selbst die Verursa-cher und damit die Schuldigen an ihrer körperlichen Not – und es kommt die Idee auf, sie würden nicht richtig ticken im Kopf. Sie fühlen sich damit dem als in der Kultur verankerten normalem Recht des Kranken auf Linderung und Schonung und Behandlung durch die Umwelt enthoben.

Der Mix aus “man glaubt mir nicht”, “ich bin doch kein Monster, sondern habe Schmerzen”, “jetzt werde ich auch noch beschuldigt” verursacht Hilflosigkeit, Kränkung, Wut und als Reakti-on auf all das erfolgt möglicherweise eine Verschlechterung des Zustandes und / oder ein trotziger Rückzug; oder eben der Gang zu nächsten Arzt.

Was mehr und mehr entdeckt und belegt wird, ist, dass die Welt und mit ihr der Mensch ein enorm komplexes Ding ist, wenn man es zu erklären versucht. So greifen auch die meisten Erklärungsversuche für Krankheiten zu kurz. Die Mediziner lassen sich auf jeden Fall kaum darauf ein: Hat ein Mediziner schon einmal erklärt, warum jemand sein Bein gebrochen hat? Oder warum sich ein Grippevirus ausgerechnet beim Mensch xy eingenistet hat? Natürlich nicht, und natürlich fragt auch kaum jemand danach. Ausser dass alle die kurzgefasste Erklärung kennen, dass da eben beim Beinbruch ein kräftiger mechanischer Einfluss am Werk war und, dass im Falle der Grippe eben ein normaler winterlicher Ablauf stattfindet. Hat jemand schon erklären können, warum Menschen Krebs entwickelt? Auch hier, keine wirkliche Antwort, höchstens Teilantworten, seien sie auf Ernährung, psychischen Vorgängen, Vererbung oder andere Ursachen zurückzuführen. Im ersten Fall sind wir mit der Erklärung zufrieden obwohl sie viel oberflächli-cher ist, im zweiten Fall des Krebs bleiben wir in den Erklärungsansätzen hängen und suchen fieberhaft nach neuen Theorien. Was ich damit sagen will:

Eine Erklärung ist nur im Hinblick auf die Auflösung des Problems wichtig. Wir suchen nach Erklärungen, weil wir hoffen, damit auch zu wissen, wie wir eine Lösung für unser Problem finden. Haben wir eine Lösung zur Hand, interessiert uns eine weitergehende Erklärung kaum noch.

Wenn jemand also einen Experten fragt, warum habe ich diese oder jene psychosomatische Krankheit – und das wissen die meisten aus eigener Erfahrung – wird die Antwort unbefriedigend bleiben. Wir können nicht mehr als möglichst sinnvolle Erklärungen finden, und die stimmigsten Erklärungen sind – soviel wissen wir mittlerweile aus der Welt der Psychotherapie – die persön-lich gesuchten und gefundenen.

Eine psychosomatische Krankheit kann durch einen Experten nicht gut genug erklärt werden.

Eine psychosomatische Krankheit heisst psychosomatisch, weil man davon ausgeht, dass das Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Vorgängen zu dem führt, was psychosomatische Krankheit meint. Man könnte auch sagen, der Körper sei in einer Art und Weise aktiv, die uns nicht behagt, die unsere körperseelische Harmonie nicht stattfinden lässt. Häufig genug ist diese Aktivität ein Schmerz unbekannter Herkunft oder wir erleben es als Streik oder Rebellion des Körpers, wenn der Kreislauf, die Atmung, die Verdauung, die Harn- und Geschlechtsorgane oder der Bewegungsapparat nicht so tun, wie sie tun sollten.

Was man aus der medizinischen Forschung weiss, ist, dass für die körperliche Aktivität das sogenannte vegetative Nervensystem zuständig ist. Es besteht aus zwei recht komplex miteinan-der funktionierender Systeme. Es sind dies das sympathische und parasympathische Nervensys-tem. Diese Systeme regulieren unsere körperlichen Aktivitäten und wenn die Abläufe in unserem Körper nicht mehr gesund sind, so deshalb, weil diese Systeme mit sich widersprechenden Informationen zur Unzeit aktiv sind. Denken sie an das einfachste Beispiel der Schlaflosigkeit: Sie legen sich zum Schlafen, das ist die eine Information, sie schlafen aber nicht ein, so gibt es offenbar eine andere Information an ihr Nervensystem, nämlich wach zu bleiben. Die Schwierig-keit ist, dass wir auf diese andere Information zumindest vorderhand keinen Zugriff haben, sonst wäre sie ja nicht so selbständig aktiv. Was uns alle so hilflos macht bei psychosomatischen Beschwerden, ist, dass die verborgenen Informationen an unser Nervensystem kaum zu fassen scheinen. Wir wissen nicht aus welchen Quellen die selbständige, als ungesund empfundene Aktivität des Körpers stammt. Gerade dieser Charakter des nicht fassbaren, nicht sichtbaren treibt in die Enge und führt entweder in die Resignation – da kann man nichts machen – oder aber in den Kampf gegen die Krankheit. Die Symptome werden dadurch aber meist noch verstärkt. Und wir verlieren uns an die Krankheit. Was es da eigentlich bräuchte, ist ein Ringen um die eigene Gesundheit.

Solange wir hauptsächlich darauf konzentriert bleiben, was uns krank macht, werden wir kaum weiterkommen. Natürlich braucht es auch Ursachenforschung bei psychosomatischen Beschwer-den. Aber das muss auf einer ganz persönlichen Ebene stattfinden. Bei Migräne ist z.B. bekannt, dass es wichtig ist zu lernen, ob es Auslösesituationen gibt oder ob ein frühzeitiges Erkennen mit begleitender Medikation einen Anfall coupieren kann. Aber das ist bereits Teil davon, nicht darauf zu warten, dass jemand anders für diese Person weiss, was wann wie zu tun ist. Wenn es also gelingt, das was uns plagt, als zu uns gehörig anzusehen, zu akzeptieren, dass wir nur mit der Krankheit ganz sind, dann können wir unsere Kraft dafür einsetzen, uns in Richtung Gesundheit und körperseelische Harmonie zu bewegen – so gut das halt geht.

Ich werde im Workshop ein Modell vorstellen das aufzeigt, aus welchen Bausteinen unser körper-seelisches Funktionieren aufgebaut ist und was unsere Befindlichkeit steuert.

Der Ausweg aus der ‘Erklären-wollen-Falle’ ist die Frage, was unternommen werden kann, um die Beschwerden zu lindern. Wenn eine Person aufhören kann zu warten, bis ein Experte ihr das, was schlecht funktioniert, wegnimmt, dann steht diese Person meist auch gleich am Berg, d.h. sie steht vor einer unlösbar scheinenden Aufgabe und sie hat wenig Mittel in der Hand, um die Aufgabe anzupacken. Da die Person ja jetzt darauf verzichtet zu warten, bis ein Sessellift auf diesen Berg gebaut wird, der sie bequem hinaufbringt, muss sich diese Person um Hilfe küm-mern. Aber halt – das ist ja gerade wieder das Problem. Dieses Elend ist bestens bekannt. Diese Person hat ja schon die ganze Zeit versucht Hilfe zu holen – und es hat nichts genutzt. Und jetzt soll sie noch einmal? – nein Danke! „Nein, ich habe genug von falscher Hilfe!“ schreit es da möglicherweise aus dieser Person heraus. Im Bonding würde ich diese Person unterstützen, diesen Schmerz und diese Wut auszudrücken. Ein Leben lang oder jahrelang nur falsche Hilfe bekommen ist eine immer wiederkehrende schmerzhafte Kränkung und die Person glaubt nicht mehr, dass Hilfe, Linderung oder Heilung über den Kontakt zu anderen Menschen entstehen könnte. Statt dessen müssen es eben Pillen, Experten und medizinische Technologie richten. Dieser oft über ein Leben angesammelte Schmerz kann enorm gross sein, und manche Person glaubt in ihrem inneren, sie würde diesen Schmerz, würde sie ihn erleben, nicht überleben. Tatsache ist jedoch, dass noch niemand an seinen Gefühlen gestorben ist, hingegen sind manche daran zerbrochen und auch gestorben, dass sie ihre Gefühle nicht ins Leben bringen konnten, diese nicht mit anderen Menschen teilen konnten.

Auf einen einfacher Nenner gebracht: Psychosomatisch krank sein, heisst für diese Person: es gibt keine Hilfe. Und eigentlich gibt es einen grossen Bereich in einer solchen Person drin, einen Bereich der gerne helfenden Kontakt hätte, Hilfe und Unterstützung sucht und genug davon hat alleine zu kämpfen, gegen all diese Menschen, die einem nicht verstehen wollen und nicht glau-ben können.

Wie Sie sehen, habe ich den wissenschaftlichen Boden verlassen und habe mehr auf die erfah-rungsorientierte Seite gewechselt. Ich möchte das jetzt nachholen. Und die Frage bleibt ja bis dahin unbeantwortet, was denn psychosomatische Gesundheit sein könnte. Es gibt auch nur ganz wenige Forscher, die sich nicht mit den Ursachen von Krankheiten beschäftigen. Aaron Anto-novsky ist einer davon und er hat ein Modell entwickelt, das Antwort auf die Frage gibt: Was ist es, das Menschen gesund macht oder gesund hält? Sein Ergebnis heisst SOC, in Englisch Sense of Coherence, in Deutsch Kohärenzgefühl. Das Kohärenzgefühl ist die zusammenfassende Bezeichnung von 3 Komponenten, für die Möglichkeit eines Menschen, auf innere oder äussere Stimuli oder Stressoren – man könnte auch einfach sagen mit dem was in einem und um einem herum passiert – angemessen zu reagieren und umzugehen. Diese 3 Faktoren sind: Bedeutung, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit. 1. Die Bedeutung, die wir einer Situation geben, die sie für uns hat. 2. Ob wir das, was mit und in uns passiert, verstehen, es genug gut erklären können. 3. Die Frage, ob wir angesichts von dem was da passiert, angemessen handlungsfähig sind.

Wenn immer das nicht geschieht, entsteht in uns eine Spannung, die sich irgendwo im Körper ansammelt. Werden wir die Spannung nicht in nützlicher Zeit los, entsteht Stress. Stress ist so etwas wie Spannung ohne Aussicht auf Erlösung von dieser Spannung.

Wenn die Erfahrung einer Person mit psychosomatischer Krankheit ist, es gibt keine Hilfe, dann sehen Sie leicht, dass die Bedeutung gross, die Verstehbarkeit klein und die Handhabbarkeit gering ist. Und das ist ein ewiger Kreislauf für diese Personen, der sich so lange verstärkt, bis Organe und Körperfunktionen auf Grund dieser entstandenen und immerwiederkehrenden Span-nung selber in Stress geraten und beginnen falsch zu funktionieren. Bsp.: Jemand hat wenig Erlaubnis gehabt genug für seine Abgrenzung zu sorgen und auch die dazu nötige Wut einzubrin-gen. Was oft geschieht ist, dass die entstehende Spannung – statt eben als Abgrenzungswut nach aussen getragen zu werden – im Körper, vielleicht im Magen sich festsetzt. Sie wird mehr oder weniger wahrgenommen. Erst viele Jahre später entsteht ein Magengeschwür. So haben wir auf der einen Seite einen langsamen, sich immer wieder verstärkenden, inneren Stress verursachen-den Ablauf und auf der anderen Seite ganz plötzlich, eines Tages, ein konkreter Schmerz, eine Fehlfunktion des Körpers die wir und auch andere dann nicht verstehen. Und es hat sich eben noch ein weiteres eingeschlichen, dass der zwischenmenschliche Kontakt eben nicht so erlebt wurde, dass er für diesen Stress entspannend oder unterstützend gewirkt hätte und so ist der Verlauf auch der, dass es einen zunehmenden Rückzug von anderen Menschen gibt, und dass das, was Casriel als das menschliche Grundbedürfnis nach Bonding bezeichnet hat, nämlich emotiona-le Offenheit und körperliche Nähe immer weniger stattfindet. Psychosomatisch krank sein, heisst verletzt zu sein in seinem Bedürfnis nach heilender Unterstützung im zwischenmenschlichen Kontakt. Das hat Elisabeth Reisch in ihrem Buch „Verletzbare Nähe“ sehr eindrücklich beschrie-ben (Buch eher für Helfer).

Im Bonding erlebt der Körper einen direkten und heilenden Kontakt zu einem anderen Körper. Man könnte auch sagen die unterbrochenen körperlichen Rhythmen und Zyklen, die für angemes-sene Spannung und Entspannung sorgen, werden über den Anschluss an einen anderen Organis-mus wieder belebt. So brauchen wir auch nicht lange darüber zu reden, was am Körper falsch funktioniert, sondern es wird in einer direkten Art möglich endlich auszudrücken, was Sie auf dem Herzen haben, was auf die Nieren oder auf den Magen schlägt, wie Ihnen die Haare zu Berge stehen, was Ihnen die Luft nimmt, was das Blut zum stocken oder zum kochen bringt oder auch was den Magen umdreht und sie zum kotzen bringt.

Der Ausdruck solcher emotionaler Belastungen und die Erfahrung eines heilenden Körperkontak-tes führt zu einer Entspannung, weil die Botschaften an unser vegetatives Nervensystem nicht mehr widersprüchlich sondern harmonisch sind. Die Erfahrung, dass negative Gefühle, wenn sie in Beziehungen eingebracht werden, keine Zurückweisung mehr zur Folge haben, sondern man bei anderen Trost und Freiraum für die eigene Entwicklung finden kann, ist ein wesentlicher Faktor um inskünfig unser vegetatives Nervensystem mit weniger widersprüchlichen Informatio-nen zu versorgen.

  • Antonovsky Aaron: Salutogenese, 1997
  • Lieb H., v.Pein A.: Der Kranke Gesunde, 1996
  • Reisch Elisabeth: Verletzbare Nähe, 1994

Bonding Psychotherapie
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