Die Bonding-Psychotherapie

Das Menschenbild hinter der Therapie Das englische Wort Bonding bedeutet übersetzt Bindung, Verbindung. In den vergangenen Jahren ist der Begriff Bonding vor allem im Zusammenhang mit dem Bindungsgeschehen zwischen dem Neugeborenen und seiner Mutter bekannt geworden. Damit Bindung gelingen kann, braucht das kleine Kind die körperliche Nähe der Mutter, die Annahme seiner Gefühle und eine ausreichende Befriedigung seiner Bedürfnisse. In einer guten Bindung erleben Eltern und Kind die Nähe miteinander als einen Kreislauf von Geben und Nehmen, der für beide erfüllend ist. Auf diese Weise „lernt“ das Kind, noch bevor es Worte dafür hat, dass es wertvoll und liebenswert ist und diese Welt ein sicherer und schöner Ort. Eine sichere Bindung ist die Basis, von wo aus das Kind dann Schritt für Schritt die Welt und seine eigene Selbstständigkeit erobern kann. Die neuesten Ergebnisse der Bindungs- und Hirnforschung stützen die Annahme, dass der Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Bonding eine zentrale Bedeutung zukommt: sowohl für die Entwicklung des Kindes, als auch für das Lebensglück des erwachsenen Menschen.

Die Bonding-Psychotherapie wurde von dem amerikanischen Psychiater und Psychoanalytiker Daniel Casriel (1924-1989) entwickelt und gelangte über den Arzt und Psychiater Walter Lechler in den 70er Jahren nach Deutschland. Die Erfahrungen mit seinen Klienten ließ Daniel Casriel bereits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu der Überzeugung kommen, dass viele Menschen in den westlichen Gesellschaften in ihren Beziehungen in einem Mangel leben, besonders in Bezug auf körperliche und emotionale Nähe. Ein tiefer Entbehrungsschmerz und Symptome wie Vereinsamung, Selbstentfremdung, Süchte und andere lebenshemmende Überzeugungen und Verhaltensweisen sind seiner Meinung nach die Folge.

Die Bonding-Psychotherapie basiert auf einem Lernmodell. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen Fähigkeiten, die sie einst nicht erlernt haben, um ein erfülltes Leben und Beziehungsleben zu führen, später immer noch zu einem guten Teil nachlernen können. Unterstützt wird das Lernen durch die Arbeit mit Gefühlen und durch nahen Körperkontakt.

Beschreibung der Methode Bonding-Psychotherapie geschieht als Einzel- oder als Partnerarbeit innerhalb einer Gruppe. Eine Sitzung dauert insgesamt etwa 3 Stunden. Folgende Elemente sind jeweils Teil einer Sitzung:

a) Einstellungsarbeit: Diese wird entweder parallel zur Mattenarbeit (s. u.) angeboten oder zeitlich separat im Stuhlkreis mit allen Teilnehmern. Prägende Erfahrungen aus der Kindheit bleiben als Überzeugungen, wie das Leben ist, im Erwachsenen gespeichert. Die Einstellungsgruppe bietet die Möglichkeit, hinter konkreten Problemen des Teilnehmers in seinem Alltag, alte Einstellungen aufzuspüren, die heute hinderlich sind, und neue stärkende Einstellungssätze zu finden. Diese werden vor den anderen Teilnehmern als Zeugen geübt und ggf. während der Mattenarbeit weiter vertieft. Beispiele für Einstellungen, die weit verbreitet und heute hinderlich sind:
„Ich bin nicht in Ordnung, so wie ich bin.“ Oder: „Um jemandem nahe sein zu können, muss ich mich selber aufgeben.“ Entsprechende positive Einstellungen könnten lauten: „Ich bin gut genug, so wie ich bin!“ Und: „Ich bin dir nah und bleibe mir treu!“

b) Die Bonding-Übung: Das Herzstück der Bonding-Psychotherapie ist die Bonding-Übung mit einem Partner auf der Matte, auch Übung mit Nähe genannt. Während der eine „arbeitet“, ist der andere stiller Begleiter. Nach der Hälfte der Zeit wird gewechselt. Die Teilnehmer übernehmen keine Therapeutenrolle füreinander. Die therapeutische Unterstützung erfolgt durch die Therapeuten im Raum.

Die tiefen Erfahrungen, die bei dieser Übung gemacht werden können, werden durch einen besonders geschützten Raum ermöglicht. Klare Regeln gewährleisten die Sicherheit des Einzelnen in der Gruppe: keine sexuelle Annäherung, keine Gewalt, keine Drogen. Während eines mehrtägigen Seminars gelten diese Regeln auch in der freien Zeit zwischen den Gruppentreffen.

Beide Partner erfahren in der körperlichen und emotionalen Nähe des jeweils anderen die Annahme, Sicherheit und Verbundenheit, die möglicherweise in der Entwicklung gefehlt haben. Gefühle wie Wut, Schmerz oder Angst, die mit alten Verletzungen und Überzeugungen zusammenhängen, können laut oder leise ausgedrückt werden und neue lebensbejahende Einstellungen eingeübt werden. Die Annahme durch den Partner und der absichtslose Körperkontakt heute unterstützen dabei, den neuen Einstellungen Glauben zu schenken und diese in Körper und Seele zu verankern.

Trotz der Erlaubnis intensive Gefühle zu erleben und zu zeigen, ist ein Abdriften in alte Traumata in der Bonding-Therapie nicht beabsichtigt und wird von den begleitenden Therapeuten bereits im Ansatz unterbrochen. Ein Wiedererleben der alten traumatischen Situation im Sinne von Realitätsverlust und Kontaktabbruch wird nicht nur für schädlich, sondern auch für unnötig befunden. Stattdessen werden die Teilnehmer unterstützt, im Hier und Jetzt und im Kontakt mit dem Partner zu bleiben. Es wird in der Bonding-Therapie davon ausgegangen, dass bereits allein die Erfahrung, dass heute ein Zeuge da ist, der das Leid von einst sieht und mitfühlt, heilsame Qualitäten für die Seele hat.

Im Ausklang der Übung mit Nähe überwiegt meist das Erleben von Freude, Dankbarkeit und Vertrauen. Annahme und Liebe können nun, oft nach tiefen emotionalen Prozessen, auf der körperlichen Ebene mit jeder Zelle erfahren werden. In diesem entspannten, wohligen Körperkontakt liegt die sog. „korrigierende Erfahrung“ der Bonding-Arbeit und zugleich der besondere und besonders kostbare Beitrag, den sie im vielfältigen Spektrum der heutigen Therapielandschaft zu geben hat: In der Begegnung mit dem Partner auf der Matte bietet sich die Chance, sich für den Kreislauf von Geben und Nehmen in großer Tiefe wieder zu öffnen und ein Stück Urvertrauen „nachzulernen“. Während dieses Prozesses wachsen allmählich, unabhängig vom Alter der Person, die Überzeugung, wertvoll und liebenswert zu sein, und die Zuversicht, dass diese Welt ein sicherer und schöner Ort sein kann.

c) Psycho-Edukation: Vorträge und Austauschrunden vor oder nach der Mattenarbeit sind weitere wichtige Bausteine der Bonding-Methode. Hier werden Zusammenhänge von Bedürfnissen, Gefühlen, Glaubenssätzen, Überlebensstrategien und Verhalten vermittelt und erforscht. In der Bonding-Therapie wird davon ausgegangen, dass es für den Prozess der Integration wichtig ist, die intensiven Erfahrungen, die im Rahmen dieser Therapie möglich sind, auch kognitiv einordnen zu können.

Für wen sich die Bondingtherapie eignet und für wen nicht Die Bonding-Psychotherapie eignet sich besonders für Menschen, die unter den Folgen von frühen Entbehrungen, Abwertungen und Grenzüberschreitungen leiden und die jetzt lernen wollen ● sich nachzunähren und heute gut für sich zu sorgen, ● den Zugang zu ihren Gefühlen zu verefen, ● ihren Selbstwert, ihre Beziehungs- und Liebesfähigkeit zu stärken, ● eine gute Balance von Nähe und Autonomie zu entwickeln, ● sich besser abzugrenzen und klar NEIN oder JA zu sagen ● sich in aktuellen Krisensituaonen, privat oder beruflich, neu zu orieneren ● mehr Lebendigkeit und mehr Lebensfreude im Alltag zu erleben.

Für Menschen mit besonders rigiden und/oder zerbrechlichen Ich-Strukturen sollte die Bonding-Psychotherapie nur im klinischen Rahmen und in entsprechend abgewandelter Form eingesetzt werden.

Angebotsformate Bonding-Psychotherapie wird angeboten im klinischen Rahmen, als fortlaufende ambulante Therapiegruppe und in ambulanten Selbsterfahrungs-Workshops, die die Selbstverantwortlichkeit der Teilnehmer voraussetzen.

Martina Langholf in Zusammenarbeit mit Dagmar Schlösser, August 2018

Kontakt: Martina Langholf Dipl. Theologie und HP Psychotherapie info@bonding-psychotherapie-niedersachsen.de www.bonding-psychotherapie-niedersachsen.de

Bonding Psychotherapie
seit 1978

Mitglied in der
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für Bonding Therapie e.V.